Ultraschnelle Kontrolle über Ströme in Graphen — jetzt in Nature

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Schematische Darstellung des Experiments zur ultraschnellen Stromerzeugung. Wenn die Lichtwelle (rot dargestellt) auf das Graphen trifft (Wabengitter von Kohlenstoffatomen), wird instantan ein elektronischer Strom erzeugt. Durch das Auslesen und Analysieren dieses Stroms haben wir festgestellt, dass quantenmechanische Interferenz von Elektronenwellen, wie im ausgeworfenem Foto dargestellt, eine Kontrolle des elektronischen Stroms auf extrem kurzen Zeitskalen ermöglicht. (Illustration von FAU / Takuya Higuchi)


„Wie schnell kann man einen Strom einschalten?“ Das ist eine fundamental wichtige Frage, um die Geschwindigkeit moderner Elektronik zu erhöhen. Dies ist wichtig, da Informationen und Signale mittels Elektronenströme übertragen werden. Gemeinsam mit der Gruppe von Prof. Dr. Heiko B. Weber, Lehrstuhl für Angewandte Physik der FAU, präsentieren wir ein neuartiges Konzept, das es ermöglicht, Ströme in Graphen, einem exotischen, leitfähigen Material, ultraschnell auf der Zeitskala einer einzigen Femtosekunde einzuschalten (1 Femtosekunde ist ein Milliardstel einer millionstel Sekunde).

Wenn Lichtdetektoren wie in Digitalkameras oder Solarzellen mit Licht beleuchtet werden, werden Elektronen in diesen Materialien vom Valenzband in das Leitungsband angeregt, was zur Erzeugung von Photoströmen führt. Die Zeitskala dieser Prozesse ist üblicherweise durch die Dauer des Laserpulses limitiert, da die Lichtabsorption über die gesamte Pulsdauer erfolgt. Wenn jedoch sehr intensive Laserpulse verwendet werden, kann eine signifikante Anregung innerhalb eines Bruchteils eines einzigen optischen Zyklus‘ auftreten. Der Übergang zu diesem sogenannten Starkfeldregime tritt auf, wenn die Stärke der Licht-Materie-Wechselwirkung die Photonenenergie übertrifft.

Eine solche lichtfeldgetriebene Anregung wurde bereits in gasförmigen Medien und Dielektrika nachgewiesen, aber bisher nicht in leitfähigen Materialien. Eine Herausforderung in dieser Materialklasse liegt darin, dass gewöhnliche Metalle Licht reflektieren und somit starke optische Felder nicht auf die Elektronen innerhalb der Metallen wirken können. Graphen, eine atomar dünne Schicht von Kohlenstoffatomen, erlaubt uns, diese Schwierigkeit zu überwinden – es ist so dünn, dass das Licht direkt auf Elektronen in Graphen wirken kann, während das Licht das Material durchdringt.

Wir testen die Möglichkeit, Ströme in Graphen mit einem lichtfeldgetriebenen Prozess zu kontrollieren, indem wir Graphen mit Laserpulsen weniger Zyklen, linearer Polarisation und einer kontrollierten Träger-Einhüllenden Phase (TEP) beleuchten. Die TEP ist ein Schlüsselparameter zur Beschreibung der Form des elektrischen Feldes eines Laserpulses. Wir haben festgestellt, dass der Strom, der in Graphen erzeugt wird, empfindlich auf die TEP reagiert. Darüber hinaus ändert dieser Strom seine Richtung, wenn man die Laserintensität erhöht. Die Feldstärke von 2 V/nm, bei der diese auffällige Stromrichtungsumkehr stattfindet, entspricht unserer theoretischen Vorhersage und unterstreicht, dass der Elektronenanregungsprozess in das Starkfeldregime übergeht.

Darüber hinaus haben wir herausgefunden, dass dort die Elektronendynamik als wiederholte Landau-Zener-Übergänge beschrieben werden kann: Im reziproken Raum ändert sich der Impuls eines Elektrons aufgrund seiner Beschleunigung durch das optische Feld. Wenn das Elektron in die Nähe des Dirac-Punktes der Graphen-Bandstruktur kommt, an der sich Leitungs- und Valenzband berühren, wird die Wellenfunktion des Elektrons kohärent in die Überlagerung der beiden Bandzustände aufgeteilt. Nach einem halben optischen Zyklus treffen sich diese Anteile der Elektronenwellenfunktionen wieder, und je nach Phasenbeziehung zwischen ihnen werden Elektronen weiter zum Leitungsband angeregt oder kehren zum Valenzband zurück. Die Interferenz, kontrolliert durch die TEP des Laserpulses, ist auch bekannt als Landau-Zener-Stückelberg-Interferenz (LZS-Interferenz) und bestimmt somit die Richtung des Stroms. Darüber hinaus können wir die LZS-Interferenz über den Polarisationszustand des Lichts ein- und ausschalten. Mit zirkular polarisiertem Licht ändert sich der Strom nicht als Funktion der Laserintensität, was ebenfalls durch unsere numerischen Simulationen unterstützt wird.

Diese Ergebnisse stellen einen wichtigen Schritt zur Verbindung zweier Gebiete moderner Technologien dar, nämlich der Elektronik und der Optik, die damit auf einer Plattform vereint werden können.

Unsere Ergebnisse sind gerade in Nature erschienen (veröffentlicht am 25. September 2017). Die FAU hat eine Pressemitteilung herausgegeben, die hier zu finden ist.