Licht-Materie-Wechselwirkung mit Elektronen-Nanoemittern
Femtosekunden-Elektronenquelle
In diesem Experiment entwickeln und verwenden wir eine neuartige Elektronenquelle, die es uns erlaubt fundamentale Experimente mit freien Elektronen durchzuführen. Dazu fokussieren wir Lichtpulse einer Dauer von Femtosekunden auf eine nanometrische Metallspitze, die in einer Halbkugel mit einem Krümmungsradius von typischerweise 10 Nanometern endet. Durch die kleinen Dimensionen der Spitze ist das optische Feld am Apex der Spitze deutlich überhöht, so dass Spitzenintensitäten von bis zu 1013 W/cm² erreicht werden. Daher werden die Elektronen von einer Fläche auf der Nanometer-Skala innerhalb von Femtosekunden durch stark nichtlineare Prozesse emittiert. Die unerreichte zeitliche und räumliche Kontrolle über den Emissionsprozess wird neue Anwendungen ermöglichen. Derzeit untersuchen wir die Emissionsprozesse und Elektronendynamik und charakterisieren die Kohärenzeigenschaften der emittierten Elektronenwelle.
Durch den grundsätzlich einfachen experimentellen Aufbau und die Möglichkeit der Kontrolle der Spitzenoberfläche auf atomarer Skala sind Metallspitzen ein ideales Modellsystem für die Licht-Materie-Wechselwirkung im Starkfeldregime. In unserer Gruppe untersuchen wir auch die weitere Anwendung solcher Spitzen als Elektronenquelle für Elektronenbeschleuniger oder zeitaufgelöste Elektronenbeugung.
Above-Threshold-Photoemission
Ein Experiment haben wir dem Photoemissions-Mechanismus gewidmet. Mit Pulsen eines Titan:Saphir-Oszillators mit einer Zentralwellenlänge von 800 Nanometern und einer Pulsdauer von 6 Femtosekunden haben wir beobachtet, dass einzelne Elektronen die Energie von bis zu 6 Photonen mehr erhalten, als sie zum Verlassen des Metalls bräuchten. Dieses Phänomen wird Above-Threshold-Photoemission (ATP) genannt. Zusätzlich konnten wir bei eingestrahlten Intensitäten von etwa 1011W/cm2Starkfeldeffekte beobachten, die nicht in einem einfachen Photonenbild erklärt werden können. Allgemein gesprochen treten solche Effekte in den Elektronenspektren auf, sobald die mittlere kinetische Energie des emittierten Elektrons im oszillierenden Laserfeld (die sogenannte ponderomotive Energie) vergleichbar mit der Photonenenergie wird. Wir haben diese Effekte zum ersten Mal in ATP beobachtet (siehe Abbildung).
Above-Threshold Photoemission. Elektronenspektren für unterschiedliche Intensitäten (farblich kodiert). Die ausgeprägten Maxima entsprechen der Absorption von drei oder mehr Photonen; deren Zahl ist in den Kreisen angedeutet. Ein Zeichen für das Auftreten der Starkfeldphysik ist, dass das Maximum mit 4 Photonen das Maximum mit 3 Photonen mit steigender Laserintensität überholt. Dezember 2010.
Da der experimentelle Aufbau vergleichsweise einfach ist und auch die Oberfläche am scharfen Ende der Spitze sogar bis hinunter zur atomaren Struktur kontrolliert werden kann, stellt die metallische Nanospitze ein ideales Modellsystem zur Untersuchung von Licht-Materie-Wechselwirkung in starken Laserfeldern dar. Anwendungen einer solchen Elektronenquelle werden an unserem Lehrstuhl gegenwärtig für einen möglichen Einsatz in zeitaufgelöster Elektronenbeugung und Laserbeschleunigung von Elektronen untersucht.
Phasenabhängigkeit der Elektronenemission
Animation der Abhängigkeit der Elektronenspektren von der Träger-Einhüllenden-Phase des emittierenden Laserpulses. Juli 2011.
In extrem kurzen Laserpulsen kann die Form des oszillierenden elektrischen Feldes in seiner Einhüllenden mit Hilfe des Frequenzkamms (Nobelpreis an T. W. Hänsch) kontrolliert werden. Die entscheidende Größe ist die sogenannte Träger-Einhüllenden-Phase (CEP) des Lichtpulses, d.h. die relative Phase zwischen den Maxima der Trägerwelle und der Intensitäts-Einhüllenden. Wir konnten zeigen, dass die Elektronenemission von Nanospitzen von der CEP – und damit von der Form des elektrischen Feldes – abhängt. Insbesondere die hochenergetischen Elektronen zeigen eine starke Abhängigkeit von der CEP (siehe Abbildung). Aus der theoretischen Modellierung entnehmen wir, dass diese Elektronen zunächst emittiert werden und dann im Nahfeld der Spitze propagieren, in dem sie zur zurück zur Spitze getrieben werden. Dort können die Elektronen elastisch streuen und mehr Energie im Laserfeld gewinnen, bevor sie detektiert werden. Je nach Träger-Einhüllenden-Phase kann diese Prozesskette während des Laserpulses entweder nur einmal oder zweimal ablaufen. Ein zweifacher Prozessablauf führt zu Interferenz, die sich in den Spektren durch ausgeprägte Minima und Maxima manifestiert (CEP von ~Pi in der Animation). Dies ist ein Zeit-Energie-Analogon zum berühmten Youngschen Doppelspaltversuch, bei dem Interferenz nur dann auftritt, wenn dem Teilchen beide Spalte zugänglich sind. Hier erzeugt das Laserfeld „zeitliche Spalte“.
Rückstreuung an einer Metalloberfläche
Ein typisches Elektronenspektrum von einer Wolframspitze, in dem der hochenergetische Teil der Elektronen Rückstreuung erfährt. Dies führt zu einem Plateau. Juli 2011.
Wie schon im letzten Abschnitt angedeutet beobachten wir, dass die Photoelektronen so stark durch das Nahfeld beeinflusst werden, dass sie bei Emission während der „richtigen“ Phase des Lichtfeldes innerhalb eines optischen Zyklus zur Spitze zurückkehren und dort elastisch streuen. Diese Rückkehr zur emittierenden Materie liegt dem Feld der Attosekundenphysik zu Grunde, das typischerweise Gase und Moleküle untersucht (z.B. Erzeugung hoher Harmonischer). Diese Zeitskalen sind nun auch an Festkörperoberflächen zugänglich. In Photoelektronen-Spektren zeigt sich die Rückstreuung durch hochenergetische Elektronen, die eine plateauartige Struktur bilden (siehe Abbildung). Mit Hilfe von semiklassischer Modellierung durch das Drei-Schritt-Modell, das in der Atomphysik sehr erfolgreich verwendet wird, können wir die grundlegenden Prozesse auch an Spitzen erklären. Ein sehr viel realistischeres Modell für den Festkörper ist zeitabhängige Dichtefunktionaltheorie (TDDFT). Diese wurde von der Gruppe von Joachim Burgdörfer auf unser System erfolgreich angewandt und stimmt sehr gut mit den experimentellen Beobachtungen überein. Die Rechnungen zeigen, dass wir die Elektronenbewegung auf der Attosekunden-Skala mit Hilfe der genauen Form des elektrischen Feldes kontrollieren können, experimentell realisiert durch Kontrolle über die CEP. Diese neuen Erkenntnisse könnten in der Zukunft ermöglichen, Elektronik bei optischen Frequenzen zu realisieren, die etwa 100.000 Mal höher liegen als die Standards, die derzeit in Verwendung sind.
Ein Prüfstand für Nahfelder
Durch die weitreichende Kontrolle über die Spitzengeometrie sind Metallspitzen ein ideales Modell zur Untersuchung von Nahfeldern. Wir beschrieben hier zwei Experimente. Im ersten Experiment nutzen wir unser Wissen um den Rückstreuprozess, um die Spitzenintensität des Nahfeldes am Apex der Spitze zu bestimmen. Wir identifizieren den Krümmungsradius am Apex der Spitze und die dielektrische Funktion des Spitzenmaterials als kritische Parameter zur Erzeugung starker Nahfelder. Die höchste kinetische Energie, die Elektronen durch den Rückstreuprozess erreichen können, ist durch Ihre ponderomotive Energie und die Austrittsarbeit des Metalls gegeben. Durch Messung des Elektronenspektrums können wir daher die Intensität des Lichtfelds bestimmen, das die Elektronen im Nahfeld erfahren haben, und sie mit der einfallenden Laserintensität vergleichen. Wir erhalten so einen Feldverstärkungsfaktor von etwa 3-6 für eine Zentralwellenlänge von 800 nm für Wolfram- und Goldspitzen, wobei wir das Nahfeld auf einer Skala von Nanometern untersuchen.
Skizze der Methode zur Bestimmung der Feldverstärkung durch Rückstreuung. Ein einfallender Laserpuls regt ein Nahfeld an der Nanospitze an, das zur Emission von Elektronen führt. Ein Teil der Elektronen erfährt Rückstreuung im Nahfeld und sammelt dabei Information über dieses Nahfeld. Die höchste erreichte Elektronenenergie ist dadurch ein Maß für die Nahfeldintensität.
In einem zweiten Experiment charakterisieren wir erstmals Nahfelder mit Attosekunden-Auflösung direkt in der Zeit-Domäne. Dazu verwenden wir eine Attosekunden-Schmierbild-Kamera. In einer Kollaboration mit der Kling-Gruppe am Max-Planck-Institut für Quantenoptik und der LMU München schicken wir sowohl 4.5 Femtosekunden (fs) lange Nahinfrarot-Pulse als auch 220 Attosekunden (as) lange XUV-Pulse auf eine Gold-Nanospitze. Die Rolle der Infrarotpulse ist dabei, das zu untersuchende Nahfeld am Schaft der Spitze anzuregen. Die XUV-Pulse emittieren Elektronen durch den Photoeffekt. Die Energie dieser XUV-Photoelektronen hängt nun von der zeitlichen Verzögerung zwischen Infrarot-Puls und XUV-Puls ab, da die XUV-Photoemission zu verschiedenen Phasen der Nahfeldoszillation stattfindet. Diese Modulation der Energie der Photoelektronen erlaubt uns die Charakterisierung des Nahfeldes mit Attosekunden-Auflösung.
Modulation des hochenergetischen Teils des Photoelektronen-Spektrums einer Gold-Nanospitze als Funktion der Verzögerung zwischen einem XUV Puls, der zur Photoemission führt, und einem Infrarotpuls, der das untersuchte Nahfeld an der Spitze anregt. Mai 2016.
Transversale Kohärenz der lasergetriebenen Emission
Eine wichtige Kenngröße einer Elektronenquelle ist ihre transversale Kohärenz. Zur Untersuchung der Kohärenz der Emission von Spitzen verwenden wir eine Kohlenstoff-Nanoröhre, die wir in Kollaboration mit der Högele-Gruppe an der LMU München herstellen. Sie dient als Biprisma, das es erlaubt, Materiewellen-Interferenz der emittierten Elektronen von einer Nanospitze aufzunehmen (siehe Abbildung). Die Ausdehnung der Interferenzstreifen ist dabei ein direktes Maß für die Kohärenz des Elektronenstrahls. In der Abbildung sehen wir, dass sowohl das linke wie auch das rechte Bild vergleichbare Interferenz aufweisen und daher auch die Kohärenz des Elektronenstrahls ähnlich ist. Links werden Elektronen durch einen UV-Laser emittiert, rechts durch Feldemission durch eine angelegte statische Spannung. Die hohe Kohärenz des durch Feldemission von einer Spitze emittierten Strahls ist wohlbekannt, weshalb diese als Elektronenquellen in den höchstauflösenden Elektronenmikroskopen als sogenannte CFE-Quellen verwendet werden. Es ist daher von großem Interesse für weitere Anwendungen, zum Beispiel in zeitaufgelöster Elektronenbeugung, dass der Elektronenstrahl von Spitzen eine ähnlich große Kohärenz aufweist, wie ein Strahl, der von der selben Spitze durch Feldemission erzeugt wird.
Von einer Wolframspitze emittierte Elektronen interferieren an einem Kohlenstoff-Nanoröhrchen. In (a) werden die Elektronen durch einen Laser emittiert, wohingegen sie in (b) durch Feldemission die Spitze verlassen. In beiden Fällen ist die transversale Kohärenz des Elektronenstrahls, direkt ablesbar durch die Zahl der Interferenzstreifen, sehr hoch. Mai 2015.
Kohärente Kontrolle der Photoemission
In diesem Experiment zeigen wir, dass es trotz der Komplexität des Festkörpers mit seinen effizienten Dekohärenz-Mechanismen möglich ist, den Gesamtstrom von einer Nanospitze mit der Phase von Lichtfeldern zu schalten. Dazu strahlen wir zwei kohärente Lichtpulse mit kommensurabler Zentralwellenlänge auf eine Wolframspitze, einen bei 1560 nm und einen bei 780 nm. Wir beobachten, dass der Photoelektronen-Strom von der Spitze mit einer Modulationstiefe von bis zu 98% mit der Phase zwischen den beiden Lichtfeldern geschaltet werden kann. Durch die Untersuchung des Verhaltens mehrerer Multiphotonen-Ordnungen mit der relativen Phase und die Skalierung des emittierten Stroms mit der Laserintensität finden wir zwei Klassen von Pfaden, die zur Elektronenemission führen, die konstruktiv oder destruktiv interferieren können. Diese Interferenz erlaubt das Schalten des Stroms (siehe Abbildung). Unsere Ergebnisse werden durch zeitabhängige und Grundzustands-Dichtefunktionaltheorie-Simulationen der Burgdörfer-Gruppe an der TU Wien unterstützt.
Kohärente Kontrolle der Photoemission von Nanospitzen. Wir zeigen die Zustandsdichte von W(310) im Volumen in schwarz, die Zustandsdichte an der Oberfläche in orange, und die Zustandsdichte eines Jellium-Modells in grün. Zwei Pfade durch Absorption von Photonen der jeweiligen Farbe zu einem ausgeprägten Volumenzustand, der bis zur Oberfläche reicht und die Emission resonant verstärkt, sind eingezeichnet. März 2016.
Weiterführende Literatur (Auswahl)
Markus Schenk, Michael Krüger and Peter Hommelhoff, “Strong-field above-threshold photoemission from sharp metal tips”, Phys. Rev. Lett. 105, 257601 (2010).
Michael Krüger, Markus Schenk and Peter Hommelhoff, “Attosecond control of electrons emitted from a nanoscale metal tip”, Nature 475, 78 (2011).
Georg Wachter, Christoph Lemell, Joachim Burgdörfer, Markus Schenk, Michael Krüger and Peter Hommelhoff, “Electron rescattering at metal nanotips induced by ultrashort laser pulses”, Phys. Rev. B 86, 035402 (2012).
Sebastian Thomas, Michael Krüger, Michael Förster, Markus Schenk and Peter Hommelhoff, “Probing of optical near-fields by electron rescattering on the 1nm scale”, Nano Lett. 13, 4790 (2013).
B. Förg, J. Schötz, F. Süßmann, M. Förster, M. Krüger, B. Ahn, W. A. Okell, K. Wintersperger, S. Zherebtsov, A. Guggenmos, V. Pervak, A. Kessel, S. A. Trushin, A. M. Azzeer, M. I. Stockman, D. Kim, F. Krausz, P. Hommelhoff, and M. F. Kling, “Attosecond nanoscale near-field sampling”, Nat. Commun. 7, 11717, (2016).
Dominik Ehberger, Jakob Hammer, Max Eisele, Michael Krüger, Jonathan Noe, Alexander Högele, and Peter Hommelhoff, „Highly Coherent Electron Beam from a Laser-Triggered Tungsten Needle Tip”, Phys. Rev. Lett. 114, 227601 (2015).
Michael Förster, Timo Paschen, Michael Krüger, Christoph Lemell, Georg Wachter, Florian Libisch, Thomas Madlener, Joachim Burgdörfer, Peter Hommelhoff, “Two-color coherent control of femtosecond above-threshold photoemission from a tungsten nanotip”, Phys. Rev. Lett. 117, 217601 (2016).
Johannes Hoffrogge, Jan Paul Stein, Michael Krüger, Michael Förster, Jakob Hammer, Dominik Ehberger, Peter Baum, and Peter Hommelhoff, „Tip-based source of femtosecond electron pulses at 30 keV”, J. Appl. Phys. 115, 094506 (2014).